Martina Siegler
Hunde sind für mich nicht nur Hobby, Freund und Familienmitglied, sie sind so viel mehr als das. Rückblickend kann ich mich an kaum eine Zeit in meinem Leben erinnern, in der Hunde nicht eine große Rolle gespielt und mein Leben bereichert haben. Seit meiner frühen Jugend habe ich jede freie Minute im Tierheim bei den Hunden verbracht und wenig später für viele Jahre neben Schule, Studium und Beruf die Wochenenddienste im Hundehaus übernommen. Besonders angezogen haben mich bereits als Jugendliche die "Special-Effect-Hunde" - Hunde, die Verhaltensbesonderheiten zeigten und kaum eine Chance auf Vermittlung hatten. Ihr Training und ihre Resozialisierung liegt mir seither besonders am Herzen, weshalb ich bis heute in meiner Funktion als Hundeverhaltensberater ehrenamtlich im Tierheim tätig bin.
Neben vielen einzigartigen Hundepersönlichkeiten hatte ich dabei das Glück Boss kennenzulernen, einen 4-jährigen Schäferhund, der mich zum ersten Mal an meine Grenzen brachte, der mich forderte und mir gezeigt hat, was man mit Geduld, Vertrauen und Konsequenz alles erreichen kann. Er hat mich dazu inspiriert, mein Wissen rund um das Thema Hund und Hundeverhalten immer wieder aufs Neue zu hinterfragen und zu erweitern. Es war ein langer und steiniger Weg, doch letztlich wurden wir zu einem großartigen Team, das sich jederzeit aufeinander verlassen und viel voneinander lernen konnte. Boss hat mir eindrucksvoll gezeigt, dass es nie zu spät ist an Problemen zu arbeiten und dass auch die als hoffnungslos abgestempelten Fälle eine zweite Chance verdient haben.
Unter diesem Aspekt habe ich 2017 auch Leo zu mir geholt, einen 9-jährigen Schäferhund, der seit vielen Jahren im Tierheim saß und als nicht händelbar und unvermittelbar galt. Nicht nur psychisch, sondern auch körperlich eine einzige Baustelle, hat Leo mich gelehrt, wie stark der Einfluss von Schmerzen auf das Verhalten ist und dass Geduld und wohlwollendes Training allein oft nicht ausreichen, um unerwünschte Verhaltensweisen zu verändern, wenn die neu gewonnene Lebensqualität von Schmerzen - und mögen sie noch so versteckt sein - überschattet wird. Da eine Behandlung durch einen fremden Physiotherapeuten aufgrund seines Misstrauens und seiner Aggressivität gegenüber Menschen zum damaligen Zeitpunkt nicht in Frage kam, habe ich mich selbst eingehend mit dem Thema befasst und durfte live miterleben, was Physiotherapie alles bewirken kann und welches Potenzial in ihr schlummert. Das schönste Kompliment haben wir einige Zeit später bei einem Besuch im Tierheim erhalten, als eine Mitarbeiterin fragte, ob sie Leos Microchip auslesen dürfe, weil sie einfach nicht glauben konnte, dass das der gleiche Hund war, den sie mir ein Jahr zuvor vermittelt hatte.
Diese Erfahrung, sowie die immer weiter steigende Anzahl der Hunde mit gesundheitlichen Einschränkungen, haben mich dazu motiviert, zusätzlich zu meinen Ausbildungen in Hundeverhaltensberatung und verhaltensmedizinischer Tierpsychologie eine weitere Ausbildung zur Hundephysiotherapeutin mit der Masterausbildung Hundeosteopathie zu absolvieren.
Meine Tiere haben alle in fortgeschrittenem Alter ihren Weg aus dem Tierschutz zu mir gefunden. Sie brachten nicht nur ihre eigenen Geschichten und Erfahrungen mit, sondern häufig auch alters- und rassebedingte gesundheitliche Baustellen. So ist nicht nur Arthrose ein stets präsentes Thema, sondern auch der Umgang mit Hüftgelenksdysplasie, Spondylose, Cauda Equina Kompressionssyndrom, Fehlstellungen von Gliedmaßen und neuerdings auch Kreuzbandrupturen. In dem Bestreben, jeden von Ihnen verstehen zu lernen und einen Weg zu finden, ihnen zu helfen, hat sich jeder auf seine eigene Art als großartiger Lehrmeister erwiesen. Diese Erfahrungen sind das wertvollste überhaupt und durch keine Ausbildung der Welt aufzuwiegen.